20.05.2020 | Ein Pferd für 500.000,00 EURO mit Rittigkeitsproblemen
OLG München, Urteil v. 12.2.2020, 17 U 1682/14 – Ein Pferd für 500.000,00 EURO mit Rittigkeitsproblemen –eine richtungsweisende Entscheidung
Der Kläger hatte Ende des Jahres 2010 von einem Reitlehrer und Pferdeausbilder einen Wallach zum Preis von 500.000 Euro erworben. Zuvor hatte der Kläger das Pferd zweimal probegeritten und in einer Klinik untersuchen lassen.
Die Freude des Käufers an dem Wallach währte nicht lange. Schnell stellten sich Rittigkeitsprobleme ein. Das Wallach widersetzte sich immer stärker den Hilfen der Reiterin, die mit ihm arbeitete, und zeigte Lahmheiten. Ende Juni 2011 ließ der Käufer das Pferd tierärztlich untersuchen. Der röntgenologische Befund zeigte eine physiologische Abweichung von der Norm am Facettengelenk zwischen dem vierten und dem fünften Halswirbel. Diese Abweichung machte der Käufer für die aufgetretenen Rittigkeitsprobleme verantwortlich und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Verkäufer widersprach und führte die aufgetretenen Rittigkeitsprobleme auf eine unsachgemäße Behandlung des Pferdes zurück.
Mit seiner Klage auf Rückabwicklung hatte der Käufer sowohl vor dem LG München als auch beim OLG München zunächst Erfolg. Die Instanzgerichte bewerteten die physiologische Abweichung an der Wirbelsäule des Pferdes von der Norm als Mangel und sahen hierin einen berechtigten Grund für den vom Käufer erklärten Vertragsrücktritt.
In der Revisionsinstanz kam der BGH zu einem anderen Ergebnis. Hierbei stellte der BGH zunächst klar, dass der Kläger die volle Beweislast dafür trägt, dass der gekaufte Wallach bereits zum Zeitpunkt der Überstellung in seinen Reitstall mit dem geltend gemachten Mangel behaftet gewesen sei. Gemäß § 476 a.F. BGB (entspricht dem heutigen § 477 BGB) werde bei einem Sachmangel, der sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang zeigt, zwar vermutet, dass dieser Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Diese Vorschrift gelte aber nur für Kaufverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Der Reitlehrer und Pferdetrainer, der das Pferd an den Kläger verkauft hatte, habe dieses unstreitig zunächst ausschließlich für private Zwecke erworben und als Dressurpferd ausgebildet und sei daher nicht als Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Die Beweislastumkehr könne der Kläger daher nicht geltend machen.
Nicht jede physiologische Abweichung vom Idealzustand ist ein Mangel
Hinsichtlich des Mangels als solchem verwies der BGH auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt ist,
- dass aufgrund von Abweichungen von der physiologischen Norm
- eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln könnte,
- die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (BGH-Urteil v. 7.2.2007, VIII ZR 266/06).
Es gehöre zur üblichen Beschaffenheit eines Reitpferdes im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, dass ein Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist. Lebewesen die in allen Punkten dem physiologischen Idealzustand entsprechen, existierten in der Realität praktisch nicht.
Diese Grundsätze gelten auch für hochpreisige Dressurpferde und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine vergleichsweise häufige oder um eine seltenere Abweichung vom Idealzustand handelt. Der Röntgenbefund vom Juni 2011 begründe daher für sich genommen noch keinen Sachmangel des Pferdes. Der gerichtlich beauftragte Sachverständige habe insoweit weder Auswirkungen dieses Befundes zum Zeitpunkt der Übergabe des Pferdes feststellen können, noch habe er es für wahrscheinlich erachtet, dass solche tatsächlichen Auswirkungen in Zukunft aus aufträten.
Vor diesem Hintergrund kam der BGH zu dem Ergebnis, dass der Verkäufer im vorliegenden Fall lediglich dafür einzustehen habe, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank gewesen sei und sich nicht in einem Zustand befunden habe, aufgrund dessen mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte erwartet werden können, dass es alsbald erkranken wird. Anders liege der Fall nur dann, wenn die Vertragsparteien im Kaufvertrag eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen hätten, was ihnen grundsätzlich aufgrund der Vertragsfreiheit unbenommen sei. Dies sei vorliegend aber nicht geschehen.
Mit diesen Argumenten hat der BGH (Urteil v. 18.10.2017, VII ZR 32/16) das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG München zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen. Das OLG München hatte nach den Vorgaben des BGH noch zu klären, ob diverse Rittigkeitsprobleme bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hätten, da die Vorinstanz den hierzu gestellten Beweisanträgen noch nicht nachgegangen sei.
Entsprechend den Vorgaben des BGH hat das OLG im weiteren Verfahren einen Sachverständigen mit der Begutachtung von Filmaufnahmen des Pferdes aus dem Zeitraum kurz nach Vertragsschluss beauftragt. Der Sachverständige kam hierbei zu dem Ergebnis, dass das Dressurpferd bis ins Jahr 2012 weder lahmte noch sonstige Auffälligkeiten zeigte. Darüber hinaus stellte der Gutachter fest, dass die Ursache dafür, dass ein Pferd sich seinem neuen Eigentümer widersetzt, mit einer Wahrscheinlichkeit von 50-60 % an der Reiterin liegt, die mit dem Tier arbeitet.
Zeugen hatten insoweit ergänzend berichtet, die Reiterin sei mit dem Wallach äußerst rüde umgegangen. Sie soll sogenannte Schlaufzügel angelegt haben, mit denen der Kopf des Pferdes gegen die Brust gezogen wird und damit für das Tier kaum noch beweglich ist. Eine Zeugin will darüber hinaus Verletzungen an dem Tier bemerkt haben, die typisch für einen übermäßigen Einsatz der Kandare seien.
OLG München hat Klage endgültig abgewiesen
Vor diesem Hintergrund vermochte der Kläger vor dem OLG München nicht den Beweis dafür zu erbringen, dass das Pferd bereits bei Gefahrübergang schwerwiegende Rittigkeitsprobleme aufgewiesen hat und daher mit einem Mangel behaftet war. Im Ergebnis hat das OLG München die Klage daher in vollem Umfange abgewiesen. Eine Revision gegen das Urteil hat der Senat nicht zugelassen.