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24.09.2020 | Gutgläubiger Erwerb eines während einer Probefahrt unterschlagenen Fahrzeugs

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 18.09.2020 (Az. V ZR 8/19) entschieden,  dass ein Fahrzeug, das einem vermeintlichen Kaufinteressenten für eine unbegleitete Probefahrt überlassen und von diesem nicht zurückgegeben wurde, dem Eigentümer nicht im Sinne von § 935 BGB abhandengekommen ist. Der Eigentümer verliert daher sein Eigentum an dem Fahrzeug, wenn es nachfolgend durch einen Dritten in gutem Glauben erworben wird.

In dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt überließ ein Autohaus einem vermeintlichen Kaufinteressenten einen Vorführwagen im Wert von EUR 52.900. Nachdem der Interessent hochprofessionelle Fälschungen eines italienischen Personalausweises, einer Meldebestätigung einer deutschen Stadt und eines italienischen Führerscheins vorgelegt hatte, wurden ihm für eine unbegleitete Probefahrt von einer Stunde auf der Grundlage eines „Fahrzeug-Benutzungsvertrages“ das mit einem roten Kennzeichen versehene Fahrzeug samt Fahrtenbuch, Fahrzeugscheinheft und Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I überlassen. Allerdings kehrte der vermeintliche Kaufinteressent mit dem Fahrzeug nicht mehr zu dem Autohaus zurück. Das Fahrzeug wurde kurz darauf auf einem Internetverkaufsportal angeboten und unter Vorlage von gefälschten Fahrzeugunterlagen verkauft. Da das Fahrzeug als gestohlen gemeldet war, lehnte die Zulassungsbehörde die Zulassung des Fahrzeugs ab. Zudem verklagte das Autohaus die Käuferin auf Herausgabe des Fahrzeugs.

Der BGH stellte fest, dass die Käuferin, die die Unterlagen als nicht gefälscht erkannte, das Eigentum erworben hatte. Dieser gutgläubige Eigentumserwerb scheiterte nicht an § 935 BGB, da das Fahrzeug dem Autohaus nicht abhandengekommen war. Denn ein Abhandenkommen im Sinne dieser Vorschrift setzt einen unfreiwilligen Besitzverlust voraus, der im konkreten Fall aber nicht vorgelegen hat. Eine Besitzübertragung ist nämlich nicht schon deshalb unfreiwillig, weil sie auf einer Täuschung beruht. Die Überlassung des Fahrzeugs durch das Autohaus zu einer unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt für eine gewisse Dauer führt auch nicht zu einer bloßen Besitzlockerung, sondern zu einem Besitzübergang auf den Kaufinteressenten.

Damit musste die Käuferin das Fahrzeug nicht nur nicht an das Autohaus herausgeben, sondern konnte von dem Autohaus auch die Herausgabe der Original-Zulassungspapiere verlangen, um das Fahrzeug zuzulassen.

(Quelle: Bundesgerichtshof)

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