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30.04.2020 | Tarifsperre § 77 Abs. 3 BetrVG; Vergütung von Fahrtzeiten

Nie die Tarifsperre vergessen!!

Vergütung von Fahrtzeiten – Außendienstmitarbeiter

Regelungen in einer Betriebsvereinbarung, welche die vergütungspflichtigen Fahrtzeiten eines Außendienstmitarbeiters verkürzen, sind wegen Verstoßes gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG* unwirksam, wenn die betreffenden Zeiten nach den Bestimmungen des einschlägigen Tarifvertrags uneingeschränkt der entgeltpflichtigen Arbeitszeit zuzurechnen und mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten sind.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Servicetechniker im Außendienst tätig. Die Beklagte ist aufgrund Mitgliedschaft im vertragschließenden Arbeitgeberverband an die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen gebunden. Kraft dynamischer Bezugnahme im Arbeitsvertrag finden diese Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. In einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2001 (BV) ist zu § 8 geregelt, dass Anfahrtszeiten zum ersten und Abfahrtszeiten vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zählen, wenn sie 20 Minuten nicht überschreiten. Sofern An- und Abreise länger als jeweils 20 Minuten dauern, zählt die 20 Minuten übersteigende Fahrtzeit zur Arbeitszeit. In das für den Kläger geführte Arbeitszeitkonto hat die Beklagte Reisezeiten von dessen Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden nach Hause bis zu einer Dauer von jeweils 20 Minuten nicht als Zeiten geleisteter Arbeit eingestellt. Sie leistete hierfür auch keine Vergütung.

Mit seiner Klage hat der Kläger verlangt, seinem Arbeitszeitkonto Fahrtzeiten für März bis August 2017 im Umfang von 68 Stunden und 40 Minuten gutzuschreiben, hilfsweise an ihn 1.219,58 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, ein solcher Anspruch sei durch § 8 BV wirksam ausgeschlossen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Mit den Fahrten von seiner Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück erfüllt der Kläger seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Ein daraus resultierender Vergütungsanspruch wird durch § 8 BV nicht ausgeschlossen. Die Bestimmung regelt die Vergütung der Arbeitszeit, indem sie die An- und Abfahrtszeiten zum ersten bzw. vom letzten Kunden – soweit sie 20 Minuten nicht übersteigen – von der Vergütungspflicht ausschließt. § 8 BV betrifft damit entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts einen tariflich geregelten Gegenstand. Nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag (MTV) sind sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht erbringt, mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten. Dazu gehört bei Außendienstmitarbeitern die gesamte für An- und Abfahrten zum Kunden aufgewendete Fahrtzeit. Da der MTV keine Öffnungsklausel zugunsten abweichender Betriebsvereinbarungen enthält, ist § 8 BV wegen Verstoßes gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam. Arbeitsentgelte, die durch Tarifvertrag geregelt sind, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist nicht wegen des Eingreifens eines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 BetrVG aufgehoben. Auf Grund der Bindung der Beklagten an die fachlich einschlägigen Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen, welche die Vergütung für geleistete Arbeit auch in Bezug auf Fahrtzeiten der Außendienstmitarbeiter abschließend regeln, besteht insoweit schon nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG** kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Der Kläger kann somit von der Beklagten die Gutschrift der umstrittenen Fahrtzeiten verlangen, soweit unter ihrer Berücksichtigung die vertraglich geschuldete regelmäßige Arbeitszeit überschritten wurde. Ob dies der Fall ist, konnte der Senat mangels hinreichender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden. Die vom Berufungsgericht erörterte Frage der Betriebsvereinbarungs-offenheit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung stellt sich nicht, da die Betriebs-parteien mit der Regelung zur Vergütung der Fahrtzeiten in der BV die Binnenschranken der Betriebsverfassung nicht beachtet haben und die BV aus diesem Grunde insoweit unwirksam ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. März 2020 – 5 AZR 36/19 – Pressemitteilung 12/20

20.04.2020 | Wer ist Züchter eines aus einem Embryotransfer gewonnenen Fohlens?

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 20. Februar 2020 – III ZR 55/19 darüber entschieden, wer der Züchter eines Fohlens ist, wenn derjenige, bei dem eine in fremdem Eigentum stehende Stute untergestellt ist, diese entsprechend einer Vereinbarung mit der Eigentümerin der Stute auf seine Kosten decken und die befruchtete Eizelle im Wege des Embryotransfers in eine ihm gehörende Austragungsstute einsetzen lässt.
Die Klägerin ist Eigentümerin des international hoch erfolgreichen Dressurpferdes „Weihegold“. Sie brachte die Stute 2011 auf den Hof des Beklagten und vereinbarte mit ihm, dass das Pferd von ihm zur Grand-Prix-Reife ausgebildet wird. Der Beklagte übernahm die Kosten für Pflege, Unterbringung und Beritt. Im Gegenzug räumte die Klägerin ihm das Recht ein, alle ein bis zwei Jahre einen Embryo aus „Weihegold“ zu entnehmen, um hierdurch Fohlen zu gewinnen.
2012 ließ der Beklagte zu 3 „Weihegold“ durch den Hengst „Apache“ besamen, nach zwölf Tagen die befruchtete Eizelle entnehmen und einer in seinem Eigentum stehenden Austragungsstute einsetzen. 2013 gebar diese Stute das Fohlen. Auf Veranlassung des Beklagten stellte ein vereinsrechtlich organisierter Verband von Pferdezüchtern für das Fohlen einen sogenannten Equidenpass und eine Eigentumsurkunde aus. In beiden Papieren ist der Beklagte als Züchter eingetragen.
Die Klägerin macht geltend, nicht der Beklagte, sondern sie sei als Eigentümerin der genetischen Mutterstute die Züchterin des Fohlens. Sie verlangt den ausgestellten Equidenpass und die Eigentumsurkunde einzuziehen und unbrauchbar zu machen.
Das Landgericht Münster hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die von ihr geltend gemachten Ansprüche setzen voraus, dass der Beklagte in den vorgenannten Urkunden zu Unrecht als Züchter eingetragen wurde. Das ist, wie die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei erkannt haben, nicht der Fall. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, der zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossene Vertrag sei dahingehend auszulegen, dass der Beklagte Züchter des aus der Embryoentnahme gewonnenen Fohlens habe sein sollen, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Beklagten wurde durch die mit der Klägerin getroffene Vereinbarung die Steuerung des gesamten Zuchtvorgangs übertragen. Er hat die Wahl des Deckhengstes getroffen, die Austragungsstute ausgewählt und erworben, die Deckprämie und die mit Embryoentnahme und -transfer verbundenen finanziellen Belastungen getragen sowie die Tierärzte beziehungsweise Kliniken ausgesucht und beauftragt. Die Klägerin hat hingegen dem Beklagten lediglich die Freigabe zur Embryoentnahme erteilt. Bei dem gesamten Vorgang der Erzeugung des Fohlens hat sie kein Mitspracherecht gehabt.

16.03.2020 | Corona und Überstunden | Arbeitszeit in Zeiten von Corona

Die Frage, ob ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer Überstunden und Mehrarbeit anweisen kann, hängt vom Vertrag ab; eine solche Möglichkeit ist aber meist vorgesehen.
Neben der Mitbestimmung des Betriebsrats sind Überstunden auch am Arbeitszeitgesetz zu messen. Die §§ 3 ff ArbZG regeln verbindliche Höchstgrenzen, von denen nur in Ausnahmefällen abgewichen werden. kann Das ArbZG geht von einer 6-Tage-Woche aus, in der werktäglich 8 Stunden, je Woche also 48 Stunden, geleistet werden dürfen. Eine Erhöhung auf 10 Stunden werktäglich ist nur möglich, wenn die zusätzlich angefallenen Stunden innerhalb von sechs Monaten oder 24 Wochen ausgeglichen werden. Da die meisten Arbeitnehmer heute in einer 5-Tage-Woche arbeiten ist das meist kein Problem.

Auch die Arbeit von mehr als 10 Stunden werktäglich ist nach § 14 Abs. 1 ArbZG möglich, wenn aufgrund vorübergehender Arbeiten in Notfällen oder außergewöhnlichen Fällen, die unabhängig vom Willen der Betroffenen eintreten und deren Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen sind, z.B. wenn Rohstoffe oder Lebensmittel zu verderben oder Arbeitsergebnisse zu misslingen drohen.

Das Auftreten einer hohen Zahl infizierter oder vorsorglich in häuslicher Quarantäne befindlicher Arbeiternehmern ist sicherlich ein solches außergewöhnliches Ereignis. Solche Pandemien treten weder regelmäßig ein noch sind sie voraussehbar (vgl. BAG, Urteil vom 17. September 1986, 5 AZR 368/85). Auch in solchen Zeiten kann die übertrieben lange Arbeitszeit aber keine Dauerlösung sein. Unternehmen müssen durch Anpassung ihrer Prozesse eine Rückkehr zu „normalen“ Arbeitszeiten erreichen. Außerdem gilt auch in diesen außergewöhnlichen Fällen die Grenze des § 14 Abs. 3 ArbZG, wonach eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von insgesamt 48 Stunden in einem Zeitraum von sechs Monaten oder 24 Wochen nicht überschritten werden darf.

16.03.2020 | „Erbschaft- / Schenkungsteuer: Maßgebende Steuerklasse beim Erwerb vom biologischen Vater“

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 05.12.2019 (Az.: II R 5/17) entschieden: Erbt ein Kind von seinem biologischen Vater, findet auf das Erbe nicht die für Kinder günstige Steuerklasse I Anwendung, sondern es wird nach der Steuerklasse III besteuert. Dasselbe gilt, wenn der biologische Vater seinem Kind zu Lebzeiten eine Schenkung macht.
In dem vom BFH entschiedenen Fall war der Kläger der leibliche, aber nicht der rechtliche Vater. Der Kläger war also der sog. biologische Vater seiner Tochter. Der rechtliche Vater war ein anderer Mann, mit dem die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet war. Der Kläger schenkte seiner leiblichen Tochter 30.000 € und beantragte beim Finanzamt die Anwendung der günstigen Steuerklasse I.
Der BFH begründete seine Entscheidung damit, dass für die Steuerklasseneinteilung nach § 15 Abs. 1 ErbStG die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 1589 ff. BGB über die Abstammung und Verwandtschaft maßgebend seien. Diese unterscheiden zwischen dem rechtlichen Vater und dem biologischen Vater. So hat nur der rechtliche Vater gegenüber dem Kind Pflichten, wie zum Beispiel zur Zahlung von Unterhalt. Das Kind wiederum, ist nur gegenüber seinem rechtlichen, nicht aber seinem biologischen Vater erb- und pflichtteilsberechtigt. Dies rechtfertigt es, den rechtlichen Vater auch für die Erbschaft- und Schenkungsteuer finanziell besser zu stellen. Könnte ein Kind von seinem rechtlichen und zugleich von seinem biologischen Vater nach der Steuerklasse I erwerben, wäre dies schließlich eine Besserstellung gegenüber Kindern, die, wie in den allermeisten Fällen, nur „einen einzigen“ Vater haben und nur von diesem steuergünstig erwerben können.
(Quelle: Bundesfinanzhof)

04.03.2020 | Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers – Schadensersatz

Der Arbeitgeber hat zwar keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Erteilt er jedoch Auskünfte, ohne hierzu verpflichtet zu sein, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Andernfalls haftet der Arbeitgeber für Schäden, die der Arbeitnehmer aufgrund der fehlerhaften Auskunft erleidet.

Der im Jahr 2014 in den Ruhestand getretene Kläger war bei der Beklagten beschäftigt. Vor dem Hintergrund des zu Beginn des Jahres 2003 in Kraft getretenen Tarifvertrags zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im kommunalen öffentlichen Dienst (TV-EUmw/VKA) schloss die Beklagte mit einer Pensionskasse einen Rahmenvertrag zur betrieblichen Altersversorgung. Im April 2003 nahm der Kläger an einer Betriebsversammlung teil, auf der ein Fachberater der örtlichen Sparkasse die Arbeitnehmer der Beklagten über Chancen und Möglichkeiten der Entgeltumwandlung als Vorsorge über die Pensionskasse informierte. Der Kläger schloss im September 2003 eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Kapitalwahlrecht ab. Anfang 2015 ließ er sich seine Pensionskassenrente als Einmalkapitalbetrag auszahlen. Für diesen muss der Kläger aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2003 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichten.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger im Wege des Schadensersatzes die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge von der Beklagten. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn vor Abschluss der Entgeltumwandlungsvereinbarung über das laufende Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Beitragspflicht auch für Einmalkapitalleistungen informieren müssen. In diesem Fall hätte er eine andere Form der Altersvorsorge gewählt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Es kann offenbleiben, ob den Arbeitgeber nach – überobligatorisch – erteilten richtigen Informationen über betriebliche Altersversorgung im Wege der Entgeltumwandlung überhaupt weitere Hinweispflichten auf bis zum Abschluss einer Entgeltumwandlungsvereinbarung erfolgende Gesetzesänderungen oder entsprechende Gesetzesvorhaben, die zulasten der Arbeitnehmer gehen, treffen. Jedenfalls setzte eine solche Verpflichtung voraus, dass der Arbeitnehmer konkret über diejenigen Sachverhalte informiert worden ist, die durch die (geplante) Gesetzesänderung zu seinen Lasten geändert wurden. Dies traf im vorliegenden Verfahren nicht zu. Auf der Betriebsversammlung ist über Beitragspflichten zur Sozialversicherung nicht unterrichtet worden. Daher konnte auch dahingestellt bleiben, ob der Beklagten das Verhalten des Fachberaters der Sparkasse zuzurechnen ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Februar 2020 – 3 AZR 206/18 – Pressemitteilung 8/20

29.02.2020 | Einkommensteuer: Nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Kaufpreisaufteilung

Der 3. Senat des Finanzgerichts Hamburg hat am 17.10.2019 (Az: 3 K 73/18) zur Aufteilung von Anschaffungskosten von Gebäuden einerseits und von Grund und Boden andererseits Stellung genommen:

Wurde die entsprechende Kaufpreisaufteilung im Kaufvertrag vorgenommen, sind diese vereinbarten und bezahlten Anschaffungskosten grundsätzlich auch der Besteuerung zu Grunde zu legen. Allerdings sind Vereinbarungen der Vertragsparteien über Einzelpreise für Einzelwirtschaftsgüter nicht bindend, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, der Kaufpreis sei nur zum Schein bestimmt wordenoder die Voraussetzungen eines Gestaltungsmissbrauchs i.S.v. § 42 AO seien gegeben.

Denn die Parteien können angesichts der gebotenen Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nicht die Höhe der Steuer des Käufers – konkret seiner AfA – gestalten. Deshalb hat das Finanzgericht im Rahmen der Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage im Einzelfall zu prüfen, ob nennenswerte Zweifel an der vertraglichen Aufteilung bestehen. Eine Korrektur der von den Vertragsparteien getroffenen Aufteilung des Anschaffungspreises auf Grund und Gebäude ist dabei lediglich geboten, wenn sie die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint.

Eine wesentliche Diskrepanz zu den Bodenrichtwerten stellt hierbei lediglich ein Indiz dafür dar, dass die vertragliche Aufteilung ggf. nicht die realen Werte wiedergibt. Ein solches Indiz kann auch durch andere Indizien entkräftet werden. Das Finanzgericht hat deshalb die Gesamtumstände des Kaufobjekts aufzuklären und dahingehend zu würdigen, ob besondere Aspekte die Abweichung nachvollziehbar erscheinen lassen.

Kann danach eine vereinbarte Kaufpreisaufteilung nicht der Besteuerung zu Grunde gelegt werden, hat sie das Finanzgericht entsprechend seiner Gesamtwürdigung der Verhältnisse durch eine Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Gebäude zu ersetzen.

Es ist in diesem Zusammenhang nicht zu beanstanden, wenn in einem vom Gericht in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten ein Gutachter zur Ermittlung des Bodenwerts die vom Gutachterausschuss beschlossenen Bodenrichtwerte übernommen hat.

Zu keiner abweichenden Bewertung führt es auch, wenn ein Bodenrichtwert im Zeitpunkt des Vertragsschlusses über die Immobilie noch gar nicht beschlossen und veröffentlicht gewesen ist. Es kommt insoweit ausschließlich auf die objektiven Begebenheiten an. Ein subjektiver Maßstab ist dagegen nicht anzulegen.

(Quelle: Finanzgericht Hamburg)

31.01.2020 | Entgeltfortzahlung Krankheitsfall – Einheit des Versicherungsfalls

Grundsätzlich gilt, dass das Krankengeld von Arbeitnehmern wegen derselben Erkrankung  78 Wochen oder 19,5 Monate innerhalb von drei Jahren (§ 48 SGB V) gezahlt wird. Bei Unterbrechungen werden die Zeiträume zusammengezählt.

Ein einheitlicher Versicherungsfall liegt vor, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf demselben, medizinisch nicht ausgeheilten Leiden beruht. Ist man bereits krankgeschrieben und es tritt eine weitere Erkrankung hinzu, wird die Leistungsdauer von 78 Wochen nicht verlängert (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch und kein einheitlicher Versicherungsfall entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte. So auch

– Bundesarbeitsgericht vom 11. Dezember 2019 – 5 AZR 505/18 –

Ist ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und schließt sich daran in engem zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit an, hat der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte.

Hat ein neuer Drei-Jahres-Zeitraum begonnen und tritt dasselbe Leiden wieder auf, wegen dem Sie bereits einmal 78 Wochen arbeitsunfähig waren, beginnt der Anspruch auf Krankengeld von vorne. Dazu muss man aber weiterhin in der gesetzlichen Krankenkasse und entweder sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder arbeitssuchend sein. Darüber hinaus darf in der Zwischenzeit wegen dieser einen speziellen Erkrankung keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen haben.

14.01.2020 | Grunderwerbsteuerpflicht für ein Kaufrechtsvermächtnis

Der Bundesfinanzhof hat am 16.01.2019 entschieden (Az.: II R 7/16), dass ein Kaufvertrag der Grunderwerbsteuer unterliegt, wenn der Bedachte durch Vermächtnis das Recht erhält, von dem Beschwerten den Abschluss eines Kaufvertrags über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück zu fordern.
Hintergrund der Entscheidung war folgender Sachverhalt:
Ein Vater setzte seine Tochter als Alleinerbin ein. Zum Erbe gehörte u.a. eine Eigentumswohnung. Zugunsten seines Sohnes, dem Bruder der Alleinerbin, bestimmte der Vater: „Ich vermache meinem Sohn ein Ankaufsrecht an meiner Eigentumswohnung im Haus M. Der Ankaufspreis entspricht dem Verkehrswert der Eigentumswohnung zum Zeitpunkt der Ausübung des Ankaufsrechts.“ Der Bruder erwarb von seiner Schwester mit notariell beurkundetem Kaufvertrag die Eigentumswohnung zu dem seinerzeit aktuellen Verkehrswert in Höhe von 45.000 EUR.
Das Finanzamt setzte für den Kaufvertrag gegen den Bruder Grunderwerbsteuer in Höhe von EUR 2.250,00 fest.
Der Bundesfinanzhof gab dem Finanzamt Recht. Wird nämlich durch Vermächtnis dem Bedachten ein Anspruch auf Abschluss eines Kaufvertrags über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück eingeräumt (Kaufrechtsvermächtnis), ist der der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgang der Kaufvertrag, mit dem dieser Anspruch erfüllt wird. Vermachter Gegenstand nach § 2174 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist in einem solchen Fall der schuldrechtliche Anspruch, den Abschluss eines Kaufvertrags über das Grundstück zu fordern. Erst durch den Abschluss des Kaufvertrags wird der Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet. Dieser unterliegt dem Grunde nach der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.
Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der Bedachte durch Vermächtnis das Recht erhält, unmittelbar die Übertragung eines bestimmten Grundstücks –ggf. gegen Zahlung eines Kaufpreises– aus dem Nachlass zu fordern. Denn in diesem Fall begründet das Vermächtnis selbst einen Übereignungsanspruch. Ob ein vermachtes Kaufrecht an einem Grundstück in einem Recht auf Abschluss eines Kaufvertrags oder in einem ggf. aufschiebend bedingten Auflassungsanspruch besteht, ist durch Auslegung des Vermächtnisses (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln.
(Quelle: Bundesfinanzhof)

11.01.2020 | Beweiskraft der Überstunden im elektronischen Arbeitszeitkonto

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 05.11.2019 – 5 Sa 73/19

1. Führt der Arbeitgeber für den einzelnen Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto und weist er vorbehaltlos eine bestimmte Anzahl von Guthabenstunden aus, stellt er damit den Saldo des Kontos streitlos. Will der Arbeitgeber im Nachhinein den sich aus dem Arbeitszeitkonto zugunsten des Arbeitnehmers ergebenden Saldo erheblich bestreiten, obliegt es ihm ausgehend von einer gestuften Darlegungslast, im Einzelnen darzulegen, aufgrund welcher Umstände der ausgewiesene Saldo unzutreffend sei oder sich bis zur vereinbarten Schließung des Arbeitszeitkontos reduziert habe.

2. Diese Grundsätze gelten nicht, wenn sich der Arbeitnehmer zur Begründung seines Anspruchs auf selbst gefertigte Arbeitszeitaufstellungen beruft, die sich der Arbeitgeber nicht zu eigen gemacht hat. In diesem Fall sind zunächst vom Arbeitnehmer die den behaupteten Saldo begründenden Tatsachen im Einzelnen darzulegen. Die Darlegungslast richtet sich nach den für einen Überstundenprozess geltenden Maßstäben.

(Quelle: LAG MV – 5 Sa 73/19)

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