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27.10.2020 | Schenkungsteuer: Freibetrag von EUR 100.000 bei Schenkung von Urgroßmutter an Urenkel und noch nicht vorverstorbenen Eltern und Großeltern

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 27.07.2020 (II B 39/20 (AdV)) zu folgendem Sachverhalt Stellung genommen:

Eine Urgroßmutter schenkte ihren beiden Urenkeln eine Immobilie. Ihre Tochter (die Großmutter der Urenkel) erhielt hieran einen Nießbrauch. Die Urenkel machten die Freibeträge von EUR 200.000 für „Kinder der Kinder“ gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG geltend. Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht Düsseldorf billigten den Urenkeln jedoch lediglich Freibeträge von EUR 100.000 gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG als „Abkömmlinge der Kinder“ zu.

Die Einsprüche, mit denen die Urenkel den Freibetrag in Höhe von jeweils EUR 200.000 und die Festsetzung der Schenkungsteuer auf EUR 0 begehrten, wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidungen vom 20.02.2020 zurück. Dagegen haben die Urenkel Klage erhoben (Az. 4 K 692/20 Erb), über die das Finanzgericht noch nicht entschieden hat.

Die Urenkel haben ferner einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, den sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht abgelehnt haben. Der nun vom BFH veröffentlichte Beschluss betrifft dieses Aussetzungsverfahren.

Der BFH hat in diesem Eilverfahren bestätigt, dass einem Urenkel für eine Schenkung jedenfalls dann lediglich der Freibetrag in Höhe von EUR 100.000 zusteht, wenn Eltern und Großeltern noch nicht vorverstorben sind.

(Quelle: Bundesfinanzhof)

01.10.2020 | Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung bei fehlendem Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Einreichung des Einspruchs

Der Bundesfinanzhof hat am 28.04.2020 (Az. VI R 41/17) entschieden, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung im Sinne des § 356 Abs. 2 AO unrichtig ist, wenn sie entgegen dem Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO nicht auf die Möglichkeit der elektronischen Einreichung des Einspruchs hinweist. Bei fehlendem Hinweis beträgt die Einspruchsfrist gemäß § 356 Abs. 2 AO ein Jahr ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts.

Dies betrifft jedoch nur Rechtsbehelfsbelehrungen, wenn diese ab der zum 01.08.2013 in Kraft getretenen Neufassung des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO ergangen sind.

Denn nach Änderung des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.07.2013 (BGBl I 2013, 2749) zum 01.08.2013 ist die Möglichkeit, den Einspruch elektronisch einzureichen, nun ausdrücklich im Gesetz genannt und damit der Hinweis nicht mehr entbehrlich.

(Quelle: Bundesfinanzhof)

24.09.2020 | Gutgläubiger Erwerb eines während einer Probefahrt unterschlagenen Fahrzeugs

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 18.09.2020 (Az. V ZR 8/19) entschieden,  dass ein Fahrzeug, das einem vermeintlichen Kaufinteressenten für eine unbegleitete Probefahrt überlassen und von diesem nicht zurückgegeben wurde, dem Eigentümer nicht im Sinne von § 935 BGB abhandengekommen ist. Der Eigentümer verliert daher sein Eigentum an dem Fahrzeug, wenn es nachfolgend durch einen Dritten in gutem Glauben erworben wird.

In dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt überließ ein Autohaus einem vermeintlichen Kaufinteressenten einen Vorführwagen im Wert von EUR 52.900. Nachdem der Interessent hochprofessionelle Fälschungen eines italienischen Personalausweises, einer Meldebestätigung einer deutschen Stadt und eines italienischen Führerscheins vorgelegt hatte, wurden ihm für eine unbegleitete Probefahrt von einer Stunde auf der Grundlage eines „Fahrzeug-Benutzungsvertrages“ das mit einem roten Kennzeichen versehene Fahrzeug samt Fahrtenbuch, Fahrzeugscheinheft und Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I überlassen. Allerdings kehrte der vermeintliche Kaufinteressent mit dem Fahrzeug nicht mehr zu dem Autohaus zurück. Das Fahrzeug wurde kurz darauf auf einem Internetverkaufsportal angeboten und unter Vorlage von gefälschten Fahrzeugunterlagen verkauft. Da das Fahrzeug als gestohlen gemeldet war, lehnte die Zulassungsbehörde die Zulassung des Fahrzeugs ab. Zudem verklagte das Autohaus die Käuferin auf Herausgabe des Fahrzeugs.

Der BGH stellte fest, dass die Käuferin, die die Unterlagen als nicht gefälscht erkannte, das Eigentum erworben hatte. Dieser gutgläubige Eigentumserwerb scheiterte nicht an § 935 BGB, da das Fahrzeug dem Autohaus nicht abhandengekommen war. Denn ein Abhandenkommen im Sinne dieser Vorschrift setzt einen unfreiwilligen Besitzverlust voraus, der im konkreten Fall aber nicht vorgelegen hat. Eine Besitzübertragung ist nämlich nicht schon deshalb unfreiwillig, weil sie auf einer Täuschung beruht. Die Überlassung des Fahrzeugs durch das Autohaus zu einer unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt für eine gewisse Dauer führt auch nicht zu einer bloßen Besitzlockerung, sondern zu einem Besitzübergang auf den Kaufinteressenten.

Damit musste die Käuferin das Fahrzeug nicht nur nicht an das Autohaus herausgeben, sondern konnte von dem Autohaus auch die Herausgabe der Original-Zulassungspapiere verlangen, um das Fahrzeug zuzulassen.

(Quelle: Bundesgerichtshof)

09.09.2020 | § 11 KSchG Annahmeverzugslohn – Auskunftsanspruch § 242 BGB

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.05.2020

– 5 AZR 387/19 –

entschieden, dass ein Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter unterbreiteten Vermittlungsvorschläge haben kann. Dies könnte auch in den Fällen gelten, in denen der Arbeitgeber selbst dem Arbeitnehmer offene Stellen durch Übermittlung von fremden Stellenangeboten nachgewiesen hat.

Dieser Auskunftsanspruch dient zur Begründung der Einwendungen gemäß § 11 Nr. 2 KSchG, dass der Arbeitnehmer anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen habe und deshalb Annahmeverzugslohnansprüche gemäß § 11 KSchG (wie § 615 BGB) entfallen oder zumindest gemindert seien.

Diese Entscheidung ist positiv für Arbeitgeber, da diese ansonsten meist keinerlei zuverlässige Informationen darüber haben, welche Aktivitäten der Arbeitnehmer unternommen hat, um seiner Pflicht nach Arbeitssuche nachzukommen und er dennoch hinsichtlich böswilligen Unterlassens darlegungs- und beweisbelastet ist. Ein solcher Auskunftsanspruch war zuletzt durch das Hessische Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 11.05.2018 – 10 Sa 1628/17 verneint worden. Dies ändert sich nunmehr.

Für Arbeitnehmer wird es hiernach schwierig(er), abzuwarten und die Füße hochzulegen in der Erwartung, im Falle der Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung Annahmeverzugslohn zu erhalten.

 

 

06.08.2020 | VW-Käufer haben keinen Anspruch auf „Deliktszinsen“

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 30.07.2020 (Az. VI ZR 397/19) entschieden, dass geschädigten Käufern eines vom sogenannten „Dieselskandal“ betroffenen Fahrzeugs kein Anspruch auf Verzinsung des für das Fahrzeug bezahlten Kaufpreises bereits ab Kaufpreiszahlung zusteht.

Hintergrund der Entscheidung war der Kauf eines gebrauchten Pkw Golf VI 1,6 TDI im August 2014 durch die Klägerin von einem Autohändler. Das Fahrzeug war mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet, der mit einer Steuerungssoftware versehen war, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet und dann in einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus schaltet. Die Klägerin verlangte mit ihrer Klage im Wesentlichen Ersatz des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen ab Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Der BGH hat der Klägerin, unter Bezugnahme auf sein erstes Urteil zum sog. „Dieselskandal“ (Urteil v. 25.05.20, Az. VI ZR 252/19) auch in diesem Fall einen Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB auf Erstattung des von ihr aufgewendeten Kaufpreises abzüglich der ihr durch den Gebrauch des Fahrzeugs zugeflossenen Nutzungsvorteile Zug um Zug gegen „Rückgabe“ des Fahrzeugs für gegeben erachtet.

Einen Anspruch der Klägerin auf sogenannte „Deliktszinsen“ nach § 849 BGB hat der BGH hingegen – anders als noch das Oberlandesgericht Oldenburg als Berufungsgericht – verneint. Zwar erfasst § 849 BGB auch den Verlust von Geld in jeder Form und auch dann, wenn dieser Verlust – wie im Urteilsfall – mit Willen des Geschädigten durch Weggabe erfolgte. Vorliegend hatte die Klägerin als Gegenleistung für die Hingabe des Kaufpreises aber ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten. Die tatsächliche Möglichkeit, das Fahrzeug zu nutzen, kompensierte damit den Verlust der Nutzungsmöglichkeit des Geldes. Eine Verzinsung gemäß § 849 BGB entspricht in einem solchen Fall nicht dem Zweck der Vorschrift, mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer entzogenen oder beschädigten Sache auszugleichen.

(Quelle: Bundesgerichtshof)

19.06.2020 | Keine VORSORGLICHE Betriebsvereinbarung Kurzarbeit

Eine vorsorgliche Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit , die z.B. nicht das Anfangs- und Enddatum  bezeichnet, ist unwirksam. Dies entschied das

LAG Hamm; 01.08.2012 – Az. 5 Sa 27/12

Bei der Rechtsstreitigkeit stritten die Parteien über Vergütungsansprüche eines Arbeitnehmers, obwohl der Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung Kurzarbeit abgeschlossen hatte und Kurzarbeit, die von der Agentur für Arbeit genehmigt worden war, angeordnet hatte. Der Kläger wehrte sich gegen seine Kurzarbeit Null  und machte seinen Lohn voll umfänglich geltend – und obsiegte!

Die Betriebsvereinbarung sah das Gericht als zu weitgehend und umkonkret an. Der Arbeitgeber hatte mit dem Betriebsrat vereinbart, dass eine „extrem verschlechterte Auftragssituation“ als Voraussetzung reiche,  ab 1. April 2011 Kurzarbeit einzuführen.

Um einen derart massiven Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers zu rechtfertigen, müsse eine solche Betriebsvereinbarung schriftlich, präzise und konkret sein, damit die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten im Voraus von beiden Vertragsparteien erkannt werden könnten. Das Gericht sah es nicht als ausreichend an, den Anlass für die Kurzarbeit und den Personenkreis festzulegen.

Eine Betriebsvereinbarung, die dem Arbeitgeber gestattet, gegen den Willen des Arbeitnehmers Kurzarbeit anzuordnen, muss deshalb Regelungen und konkrete Angaben enthalten über
– Beginn und Dauer der Kurzarbeit
– Lage und Verteilung der Arbeitszeit
– Auswahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer
– Zeiträume, in denen die Arbeit ausfallen soll

Eine Betriebsvereinbarung, die diesen Anforderungen nicht gerecht wird, ist unwirksam. Dadurch erwirbt  der Arbeitgeber nicht das Recht zur Anordnung von Kurzarbeit mit der Folge, dass der Beschäftigungs- und Lohnanspruch des Arbeitnehmers bestehen bleibt.

Die Entscheidung ist m.E. auch übertragbar auf Vereinbarungen in Arbeitsverträgen über Kurzarbeit, wenn diese allgemein gehalten sind und daher für den Arbeitnehmer nicht konkret vorhersehbar die Kurzarbeit, ihre Lage, Dauer, Umfang und ihre Voraussetzungen regeln.

Falls Sie Unterstützung bei Ihrem rechtlichen Problem im Zusammenhang mit der Anordnung von Kurzarbeit benötigen, helfen wir gerne.

26.05.2020 | Erbschaftsteuer: Vergebliche Prozesskosten können bei der Erbschaftsteuer abgezogen werden

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 06.11.2019 (Az.: BFH ) entschieden: Kosten eines Zivilprozesses, in dem ein Erbe vermeintliche, zum Nachlass gehörende Ansprüche des Erblassers geltend gemacht hat, sind als Nachlassregelungskosten vom Erwerb von Todes wegen abzugsfähig:

In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte der 1999 verstorbene Erblasser seine Porzellansammlung in 1995 einem städtischen Museum geschenkt. Die Erben forderten nach seinem Tod von der Stadt die Rückgabe der Sammlung mit der Begründung, dass der Erblasser bei der Schenkung nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Die Klage und die eingelegten Rechtsmittel waren jedoch erfolglos und die Erben blieben auf den Prozesskosten sitzen. Sie machten daher die Kosten bei der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit steuermindernd geltend. Finanzamt und Finanzgericht lehnten den Abzug ab. Der BFH gab den Klägern recht.

Er begründete seine Entscheidung damit, dass nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Regelung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Zu diesen Ausgaben können auch Kosten zählen, die der Erbe durch die gerichtliche Geltendmachung von (vermeintlichen) zum Nachlass gehörenden Ansprüchen des Erblassers zu tragen hat. Die Kosten müssen allerdings im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses anfallen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG).

Die vergeblichen Prozesskosten sowie die Kosten der anwaltlichen Vertretung müssen aber im Einzelnen nachgewiesen werden.

(Quelle: Bundesfinanzhof)

20.05.2020 | Ein Pferd für 500.000,00 EURO mit Rittigkeitsproblemen

OLG München, Urteil v. 12.2.2020, 17 U 1682/14 – Ein Pferd für 500.000,00 EURO mit Rittigkeitsproblemen eine richtungsweisende Entscheidung

Der Kläger hatte Ende des Jahres 2010 von einem Reitlehrer und Pferdeausbilder einen Wallach zum Preis von 500.000 Euro erworben. Zuvor hatte der Kläger das Pferd zweimal probegeritten und in einer Klinik untersuchen lassen.

Die Freude des Käufers an dem Wallach währte nicht lange. Schnell stellten sich Rittigkeitsprobleme ein. Das Wallach widersetzte sich immer stärker den Hilfen der Reiterin, die mit ihm arbeitete, und zeigte Lahmheiten. Ende Juni 2011 ließ der Käufer das Pferd tierärztlich untersuchen. Der röntgenologische Befund zeigte eine physiologische Abweichung von der Norm am Facettengelenk zwischen dem vierten und dem fünften Halswirbel. Diese Abweichung machte der Käufer für die aufgetretenen Rittigkeitsprobleme verantwortlich und erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Verkäufer widersprach und führte die aufgetretenen Rittigkeitsprobleme auf eine unsachgemäße Behandlung des Pferdes zurück.

Mit seiner Klage auf Rückabwicklung hatte der Käufer sowohl vor dem LG München als auch beim OLG München zunächst Erfolg. Die Instanzgerichte bewerteten die physiologische Abweichung an der Wirbelsäule des Pferdes von der Norm als Mangel und sahen hierin einen berechtigten Grund für den vom Käufer erklärten Vertragsrücktritt.

In der Revisionsinstanz kam der BGH zu einem anderen Ergebnis. Hierbei stellte der BGH zunächst klar, dass der Kläger die volle Beweislast dafür trägt, dass der gekaufte Wallach bereits zum Zeitpunkt der Überstellung in seinen Reitstall mit dem geltend gemachten Mangel behaftet gewesen sei. Gemäß § 476 a.F. BGB (entspricht dem heutigen § 477 BGB) werde bei einem Sachmangel, der sich innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang zeigt, zwar vermutet, dass dieser Sachmangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Diese Vorschrift gelte aber nur für Kaufverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Der Reitlehrer und Pferdetrainer, der das Pferd an den Kläger verkauft hatte, habe dieses unstreitig zunächst ausschließlich für private Zwecke erworben und als Dressurpferd ausgebildet und sei daher nicht als Unternehmer im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Die Beweislastumkehr könne der Kläger daher nicht geltend machen.

Nicht jede physiologische Abweichung vom Idealzustand ist ein Mangel

Hinsichtlich des Mangels als solchem verwies der BGH auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt ist,

  • dass aufgrund von Abweichungen von der physiologischen Norm
  • eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln könnte,
  • die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen (BGH-Urteil v. 7.2.2007, VIII ZR 266/06).

Es gehöre zur üblichen Beschaffenheit eines Reitpferdes im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, dass ein Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist. Lebewesen die in allen Punkten dem physiologischen Idealzustand entsprechen, existierten in der Realität praktisch nicht.

Diese Grundsätze gelten auch für hochpreisige Dressurpferde und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine vergleichsweise häufige oder um eine seltenere Abweichung vom Idealzustand handelt. Der Röntgenbefund vom Juni 2011 begründe daher für sich genommen noch keinen Sachmangel des Pferdes. Der gerichtlich beauftragte Sachverständige habe insoweit weder Auswirkungen dieses Befundes zum Zeitpunkt der Übergabe des Pferdes feststellen können, noch habe er es für wahrscheinlich erachtet, dass solche tatsächlichen Auswirkungen in Zukunft aus aufträten.

Vor diesem Hintergrund kam der BGH zu dem Ergebnis, dass der Verkäufer im vorliegenden Fall lediglich dafür einzustehen habe, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank gewesen sei und sich nicht in einem Zustand befunden habe, aufgrund dessen mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte erwartet werden können, dass es alsbald erkranken wird. Anders liege der Fall nur dann, wenn die Vertragsparteien im Kaufvertrag eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen hätten, was ihnen grundsätzlich aufgrund der Vertragsfreiheit unbenommen sei. Dies sei vorliegend aber nicht geschehen.

Mit diesen Argumenten hat der BGH (Urteil v. 18.10.2017, VII ZR 32/16) das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG München zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen. Das OLG München hatte nach den Vorgaben des BGH noch zu klären, ob diverse Rittigkeitsprobleme bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hätten, da die Vorinstanz den hierzu gestellten Beweisanträgen noch nicht nachgegangen sei.

Entsprechend den Vorgaben des BGH hat das OLG im weiteren Verfahren einen Sachverständigen mit der Begutachtung von Filmaufnahmen des Pferdes aus dem Zeitraum kurz nach Vertragsschluss beauftragt. Der Sachverständige kam hierbei zu dem Ergebnis, dass das Dressurpferd bis ins Jahr 2012 weder lahmte noch sonstige Auffälligkeiten zeigte. Darüber hinaus stellte der Gutachter fest, dass die Ursache dafür, dass ein Pferd sich seinem neuen Eigentümer widersetzt, mit einer Wahrscheinlichkeit von 50-60 % an der Reiterin liegt, die mit dem Tier arbeitet.

Zeugen hatten insoweit ergänzend berichtet, die Reiterin sei mit dem Wallach äußerst rüde umgegangen. Sie soll sogenannte Schlaufzügel angelegt haben, mit denen der Kopf des Pferdes gegen die Brust gezogen wird und damit für das Tier kaum noch beweglich ist. Eine Zeugin will darüber hinaus Verletzungen an dem Tier bemerkt haben, die typisch für einen übermäßigen Einsatz der Kandare seien.

OLG München hat Klage endgültig abgewiesen

Vor diesem Hintergrund vermochte der Kläger vor dem OLG München nicht den Beweis dafür zu erbringen, dass das Pferd bereits bei Gefahrübergang schwerwiegende Rittigkeitsprobleme aufgewiesen hat und daher mit einem Mangel behaftet war. Im Ergebnis hat das OLG München die Klage daher in vollem Umfange abgewiesen. Eine Revision gegen das Urteil hat der Senat nicht zugelassen.

30.04.2020 | Tarifsperre § 77 Abs. 3 BetrVG; Vergütung von Fahrtzeiten

Nie die Tarifsperre vergessen!!

Vergütung von Fahrtzeiten – Außendienstmitarbeiter

Regelungen in einer Betriebsvereinbarung, welche die vergütungspflichtigen Fahrtzeiten eines Außendienstmitarbeiters verkürzen, sind wegen Verstoßes gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG* unwirksam, wenn die betreffenden Zeiten nach den Bestimmungen des einschlägigen Tarifvertrags uneingeschränkt der entgeltpflichtigen Arbeitszeit zuzurechnen und mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten sind.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Servicetechniker im Außendienst tätig. Die Beklagte ist aufgrund Mitgliedschaft im vertragschließenden Arbeitgeberverband an die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen gebunden. Kraft dynamischer Bezugnahme im Arbeitsvertrag finden diese Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. In einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2001 (BV) ist zu § 8 geregelt, dass Anfahrtszeiten zum ersten und Abfahrtszeiten vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zählen, wenn sie 20 Minuten nicht überschreiten. Sofern An- und Abreise länger als jeweils 20 Minuten dauern, zählt die 20 Minuten übersteigende Fahrtzeit zur Arbeitszeit. In das für den Kläger geführte Arbeitszeitkonto hat die Beklagte Reisezeiten von dessen Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden nach Hause bis zu einer Dauer von jeweils 20 Minuten nicht als Zeiten geleisteter Arbeit eingestellt. Sie leistete hierfür auch keine Vergütung.

Mit seiner Klage hat der Kläger verlangt, seinem Arbeitszeitkonto Fahrtzeiten für März bis August 2017 im Umfang von 68 Stunden und 40 Minuten gutzuschreiben, hilfsweise an ihn 1.219,58 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, ein solcher Anspruch sei durch § 8 BV wirksam ausgeschlossen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Mit den Fahrten von seiner Wohnung zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück erfüllt der Kläger seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung. Ein daraus resultierender Vergütungsanspruch wird durch § 8 BV nicht ausgeschlossen. Die Bestimmung regelt die Vergütung der Arbeitszeit, indem sie die An- und Abfahrtszeiten zum ersten bzw. vom letzten Kunden – soweit sie 20 Minuten nicht übersteigen – von der Vergütungspflicht ausschließt. § 8 BV betrifft damit entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts einen tariflich geregelten Gegenstand. Nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag (MTV) sind sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht erbringt, mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten. Dazu gehört bei Außendienstmitarbeitern die gesamte für An- und Abfahrten zum Kunden aufgewendete Fahrtzeit. Da der MTV keine Öffnungsklausel zugunsten abweichender Betriebsvereinbarungen enthält, ist § 8 BV wegen Verstoßes gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam. Arbeitsentgelte, die durch Tarifvertrag geregelt sind, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist nicht wegen des Eingreifens eines Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 BetrVG aufgehoben. Auf Grund der Bindung der Beklagten an die fachlich einschlägigen Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Niedersachsen, welche die Vergütung für geleistete Arbeit auch in Bezug auf Fahrtzeiten der Außendienstmitarbeiter abschließend regeln, besteht insoweit schon nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG** kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Der Kläger kann somit von der Beklagten die Gutschrift der umstrittenen Fahrtzeiten verlangen, soweit unter ihrer Berücksichtigung die vertraglich geschuldete regelmäßige Arbeitszeit überschritten wurde. Ob dies der Fall ist, konnte der Senat mangels hinreichender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des Berufungsurteils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden. Die vom Berufungsgericht erörterte Frage der Betriebsvereinbarungs-offenheit der arbeitsvertraglichen Vereinbarung stellt sich nicht, da die Betriebs-parteien mit der Regelung zur Vergütung der Fahrtzeiten in der BV die Binnenschranken der Betriebsverfassung nicht beachtet haben und die BV aus diesem Grunde insoweit unwirksam ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. März 2020 – 5 AZR 36/19 – Pressemitteilung 12/20

20.04.2020 | Wer ist Züchter eines aus einem Embryotransfer gewonnenen Fohlens?

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 20. Februar 2020 – III ZR 55/19 darüber entschieden, wer der Züchter eines Fohlens ist, wenn derjenige, bei dem eine in fremdem Eigentum stehende Stute untergestellt ist, diese entsprechend einer Vereinbarung mit der Eigentümerin der Stute auf seine Kosten decken und die befruchtete Eizelle im Wege des Embryotransfers in eine ihm gehörende Austragungsstute einsetzen lässt.
Die Klägerin ist Eigentümerin des international hoch erfolgreichen Dressurpferdes „Weihegold“. Sie brachte die Stute 2011 auf den Hof des Beklagten und vereinbarte mit ihm, dass das Pferd von ihm zur Grand-Prix-Reife ausgebildet wird. Der Beklagte übernahm die Kosten für Pflege, Unterbringung und Beritt. Im Gegenzug räumte die Klägerin ihm das Recht ein, alle ein bis zwei Jahre einen Embryo aus „Weihegold“ zu entnehmen, um hierdurch Fohlen zu gewinnen.
2012 ließ der Beklagte zu 3 „Weihegold“ durch den Hengst „Apache“ besamen, nach zwölf Tagen die befruchtete Eizelle entnehmen und einer in seinem Eigentum stehenden Austragungsstute einsetzen. 2013 gebar diese Stute das Fohlen. Auf Veranlassung des Beklagten stellte ein vereinsrechtlich organisierter Verband von Pferdezüchtern für das Fohlen einen sogenannten Equidenpass und eine Eigentumsurkunde aus. In beiden Papieren ist der Beklagte als Züchter eingetragen.
Die Klägerin macht geltend, nicht der Beklagte, sondern sie sei als Eigentümerin der genetischen Mutterstute die Züchterin des Fohlens. Sie verlangt den ausgestellten Equidenpass und die Eigentumsurkunde einzuziehen und unbrauchbar zu machen.
Das Landgericht Münster hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die von ihr geltend gemachten Ansprüche setzen voraus, dass der Beklagte in den vorgenannten Urkunden zu Unrecht als Züchter eingetragen wurde. Das ist, wie die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei erkannt haben, nicht der Fall. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, der zwischen der Klägerin und dem Beklagten geschlossene Vertrag sei dahingehend auszulegen, dass der Beklagte Züchter des aus der Embryoentnahme gewonnenen Fohlens habe sein sollen, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Beklagten wurde durch die mit der Klägerin getroffene Vereinbarung die Steuerung des gesamten Zuchtvorgangs übertragen. Er hat die Wahl des Deckhengstes getroffen, die Austragungsstute ausgewählt und erworben, die Deckprämie und die mit Embryoentnahme und -transfer verbundenen finanziellen Belastungen getragen sowie die Tierärzte beziehungsweise Kliniken ausgesucht und beauftragt. Die Klägerin hat hingegen dem Beklagten lediglich die Freigabe zur Embryoentnahme erteilt. Bei dem gesamten Vorgang der Erzeugung des Fohlens hat sie kein Mitspracherecht gehabt.

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